„Wer mitleidet, kann nicht helfen“

Interessanter Artikel aus der Badischen Zeitung vom 18. April 2019:

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EMMENDINGEN. Ein Netzwerk für Trauernde will Christina Siegwarth etablieren. Die Trauerbegleiterin möchte im Herbst in Emmendingen auch eine Gruppe für trauernde Kinder und Jugendliche einrichten – eine Personengruppe, die bei diesem Thema zu wenig beachtet werde, wie sie sagt. Neu ist außerdem eine Trauergruppe für Menschen, die einen Angehörigen durch Suizid verloren haben.

Christina Siegwarth ist seit dem Tod ihres Mannes Inhaberin des Emmendinger Bestattungshauses Siegwarth.1965 in Stuttgart geboren, kam sie im Alter von eineinhalb Jahren nach Emmendingen, machte hier ihr Abitur und wurde Bankkauffrau. 1997 – ihre beiden Kinder waren noch klein – erkrankte ihr Mann schwer. Danach war klar, dass sie im Betrieb bleiben würde. Und sie wollte tiefer einsteigen, wie sie sagt. Im Fernstudium absolvierte sie eine Ausbildung in Trauerpsychologie und unterrichtet das inzwischen seit 15 Jahren selbst am Bundesausbildungszentrum der Bestatter im fränkischen Münnerstadt. "Ich habe es bis heute nicht bereut", sagt sie. Bei der Ausbildung ist es ihr Anliegen, die jungen Leute auf einen feinen Unterschied aufmerksam zu machen: Sie sollen empathisch sein, mitfühlen – aber nicht mit leiden: "Dann können sie nicht helfen."

Das Zuhören steht im Mittelpunkt

Hinhören, zuhören, "zwischen den Zeilen hören" – das gehört schon zum Beruf. Dies in einer Trauergruppe anzubieten, habe sie schon lange im Sinn gehabt. Als im November 2016 ihr Mann starb, ging sie das Projekt an und gründete ein Vierteljahr später die erste Trauergruppe. Dabei stehe das Zuhören im Mittelpunkt, ungebetene Ratschläge sind aber tabu, sagt sie. Statt dessen werde thematisch gearbeitet.

Gemeinsame Aktionen, gemeinsam beispielsweise Filme zum Thema sehen und besprechen könnte dazu gehören. Sie begleite Familien und gehe zu Trauerandachten, stehe aber auch im Austausch zu Hospizgruppen, die ähnliche Angebote machen. Und – das ist ihr wichtig: Nicht alles läuft über die Gruppen, die Trauernden selbst sollten sich vernetzen. So habe sich in der Trauergruppe sogar ein Paar gefunden, das den jeweiligen Partner verloren habe. Die Botschaft: Es wird nicht mehr, wie es war, es wird anders. Dazu können wiedergewonnene Freiheiten zählen, Dinge, die beispielsweise durch Krankheit nicht mehr möglich waren. Oft stehen aber Schuldgefühle im Raum: wenn ein Angehöriger nur kurz das Sterbezimmer verlassen hat und der Tod genau dann eintritt. "Aber genau das kann dem Sterbenden den Tod erleichtert haben", sagt sie.

Sie beschäftigt sich zudem mit der Frage, wie andere mit den Trauernden umgehen. Die Unsicherheit ist groß, oft wollen sich Freunde und Bekannte einfach nicht aufdrängen. Das Resultat? "Verlassen zu werden tut einfach weh," sagt Christina Siegwarth, "und wenn dann Freunde dem Trauernden aus dem Weg gehen, ist das doppelt verletzend."

Zusätzlich plant sie nun die Gruppe für Kinder und Jugendliche. Ihnen gehe, wie sie es formuliert, ein Stück Leichtigkeit verloren mit dem Tod eines Angehörigen; sie will ihnen die Gelegenheit bieten, das aufzuarbeiten, je nach Alter vielleicht spielerisch.

Zum geplanten Netzwerk gehören soll auch die neue Gruppe für Angehörige, die von einem Suizid betroffen sind – in Emmendingen ein sehr präsentes Thema (siehe BZ-Magazin vom 13. April). Allein im Dezember 2018 habe es sechs Bahnsuizide gegeben. Aber es gibt auch weniger spektakuläre Suizide, etwa bei alten Menschen, die diesen Ausweg vielleicht mit Medikamenten suchen. Ute Buderer leitet diese Trauergruppe.

Anlaufstellen für die Trauergruppen: Christina Siegwarth, Tel. 07641/3388; Ute Buderer, Tel. 015737988165,

(Text: Sylvia-Karina Jahn)

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